Nach ukrainischen Angaben stiessen sie am Freitagmorgen rund einen Kilometer in Richtung des Grenzorts Wowtschansk vor. Ihr Ziel sei es, eine zehn Kilometer breite Pufferzone einzurichten, sagte ein ranghoher Militär. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte mit, es sei Verstärkung in das Gebiet entsandt worden. Es gebe Kämpfe «von unterschiedlicher Intensität».

Unklar blieb, ob die russischen Truppen eine Offensive auf Charkiw planen, der zweitgrössten Stadt der Ukraine nach Kiew. Vor dem Krieg lebten dort rund 1,5 Millionen Menschen. Nach Angaben des Gouverneurs der Region Charkiw, Oleh Synehubow, versuchten die russischen Truppen, die Grenze zur Ukraine zu durchbrechen und damit eine weitere Front aufzumachen. Sie hätten den Beschuss von Wowtschansk verstärkt, erklärte Synehubow auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. Die Angriffsversuche seien abgewehrt worden, die ukrainischen Streitkräfte hätten «selbstbewusst ihre Stellungen gehalten und keinen einzigen Meter verloren». Russland habe nicht die Mittel, um auf Charkiw vorzurücken.

Die russische Regierung äusserte sich zunächst nicht zu den aktuellen Entwicklungen im Kriegsgeschehen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte bei einer Pressekonferenz in Kiew, die Streitkräfte seien darauf vorbereitet, den russischen Angriff abzuwehren. Allerdings könnte Russland seine Streitkräfte in dem Gebiet verstärken. Charkiw war kurz nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine am 22. Februar 2024 unter russische Kontrolle geraten. Die ukrainischen Truppen konnten die Stadt aber dann wieder befreien. Allerdings wächst seit März die Sorge vor einem Angriff. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte damals gefordert, eine generelle Pufferzone im Grenzgebiet zur Ukraine zu errichten.

Ebenfalls am Freitagmorgen geriet in der russischen Oblast Kaluga einem Medienbericht zufolge nach einem ukrainischen Drohnenangriff eine Ölraffinerie in Brand. Das meldete die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf Insider von Rettungsdiensten. Bei dem Brand in der Raffinerie «Pervyi Zavod» seien drei Container mit Dieselkraftstoff und einer mit Heizöl zerstört worden. Der Gouverneur von Kaluga, Wladislaw Schapscha, erklärte auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram, das Feuer sei umgehend gelöscht worden.

Die Ukraine hat in den vergangenen Monaten verstärkt Energieanlagen auf russischem Territorium angegriffen und zielt damit vor allem auf die Treibstoffversorgung der russischen Truppen. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin teilte zudem über Telegram mit, dass russische Flugabwehreinheiten eine Drohne südlich von Moskau abgefangen hätten. Es habe keine Verletzten oder Schäden durch herabfallende Trümmer gegeben, schrieb Sobjanin am frühen Freitagmorgen.

Auf die Zerstörung der Energie-Infrastruktur konzentrieren sich auch die regelmässigen russischen Luftangriffe auf Ziele in der Ukraine. In der Nacht zum Freitag fing das ukrainische Militär nach eigenen Angaben zehn Kampfdrohnen ab. Russland habe zudem zwei Flugabwehrlenkraketen abgefeuert, erklärt die ukrainische Luftwaffe auf dem Kurzmitteilungsdienst Telegram. Was mit den Raketen geschehen ist, bleibt zunächst offen.

(Reuters)