"The Merge" war gestern. Die Kryptowährungswelt wartet auf "The Surge", "The Verge", "The Purge" und "The Splurge". Diese Spitznamen verpasste der als Mitbegründer und konzeptioneller Ethereum-Erfinder geltende Vitalik Buterin geplanten Updates für diese Cyber-Devise. Sie sollen vor allem das Transaktionstempo erhöhen und die Kosten hierfür reduzieren.

"In der Zukunft muss und wird Ethereum Hunderte Millionen Transaktionen pro Tag abwickeln können", sagt Paul Brody, Manager und Blockchain-Experte der Unternehmensberatung EY. Investoren, Händler und Nutzer hätten da allerdings ihre Zweifel, dass dies schnell kommen werde, wirft Alex Thorn, Chef-Analyst der auf Kryptowährungen spezialisierten Bank Galaxy Digital, ein. Schliesslich habe sich "The Merge" um mehrere Jahre verzögert.

Energiebedarf reduziert - «Shanghai» ergänzt «The Merge»

Das Update "The Merge", das Mitte September ohne grössere technische Probleme eingespielt wurde, drehte sich um die Verifizierung von Transaktionen. Dabei wurde auf die "Proof-of-Stake"-Methode umgestellt, die den Entwicklern zufolge den Energiebedarf um mehr als 99 Prozent reduziert. Nun konkurrieren nicht mehr wie bei der ältesten und wichtigsten Cyber-Devise Bitcoin Tausende "Schürfer" um die Verifizierung einer einzigen Transaktion, in dem sie mit Hochleistungsrechnern komplizierte Algorithmen als erste zu lösen versuchen. Stattdessen wird diese Aufgabe demjenigen übertragen, der zu einem bestimmten Zeitpunkt das grösste Ethereum-Guthaben vorweisen kann. Mit der Umstellung sei ein grosses Hindernis für direkte Investitionen in die Cyber-Devise aus dem Weg geräumt, sagt Markus Thielen, Chef-Anleger des Vermögensverwalters IDEG.

Als Ergänzung zu "The Merge" steht zunächst "Shanghai" auf dem Programm. Dieses Update, dass in etwa sechs Monaten erwartet wird, könnte den Handel weiter beleben. Denn es würde denjenigen, die Ethereum-Bestände als Gegenleistung für Zinsen ähnlich wie bei einem Sperrkonto fest angelegt haben, den Abzug oder den Verkauf ihres Guthabens erlauben. Dem Datenanbieter Glassnode zufolge sind derzeit digitale Münzen im Volumen von mehr als 20 Milliarden Dollar auf der Ethereum-Blockchain - der Datenbank, in der sämtliche Transaktionen gespeichert werden - als gesperrt gekennzeichnet. Ohne "Shanghai" kommen die Besitzer an dieses Geld nicht ran.

«The Merge» vorerst kein Rückenwind für Ethereum-Kurs

Einen Kursschub brachte "The Merge" bislang allerdings nicht, obwohl der geringere Energiebedarf Ethereum auch für diejenigen Anleger attraktiv macht, die bei ihren Entscheidungen auf bestimmte Standards bei Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie Rechtsstaatlichkeit (ESG) wert legen. Gleichzeitig dämpfe es die Nachfrage nach "Ethereum-Killern" wie Solana oder Polkadot, sagt Adam Struck, Chef des Risikokapital-Gebers Struck Crypto. Diese Internet-Währungen sind Vorreiter bei der Verifizierung von Transaktionen nach der "Proof-of-Stake"-Methode.

Experten weisen ausserdem darauf hin, dass mit der Umstellung auf "Proof-of-Stake" sich das Tempo, mit dem neue digitale Ethereum-Münzen als Entlohnung für die Verifizierung von Transaktionen ausgegeben werden, um bis zu 90 Prozent reduzieren könnte. Dies habe einen anti-inflationären Effekt und sollte langfristig für steigende Kurse sorgen.

Bislang ist die Kryptowährungswelt allerdings in den allgegenwärtigen Rezessionsängsten gefangen. Sie vertreiben Anleger aus risikoreichen Anlagen. Daher hat Ethereum in den vergangenen Tagen insgesamt etwa 14 Prozent auf aktuell etwa knapp 1400 Dollar verloren. Davon sollten sich Investoren aber nicht entmutigen lassen, sagen die Analysten des Research-Hauses Kaiko. Schliesslich sei "The Merge" ein voller Erfolg. "Selbst wenn in den kommenden Tagen die Kurse stärker schwanken, die Ethereum-Community kann auf eine wohlverdiente Siegesrunde gehen."

(Reuters)